Anfang der 1960er-Jahre wurde ich geboren – ich habe zwei Brüder und zwei Schwestern. Aus Überlieferung seitens meiner verstorbenen Mutter weiß ich von vehementen Schlägen bis hin zu Verbrühungen von unserem „Vater“ gegen meinen älteren Bruder. Jegliche Unbill war zunächst gegen ihn gerichtet. Ich weiß nicht mehr genau, ob ich vier oder schon fünf Jahre alt war, ich war immer „Papas großes Mädchen“.

Er war ein schöner Mann, und ich himmelte ihn an. Angefangen hat alles im ehelichen Bett. Sonntagmorgens beim Toben. Er drückte und rieb sich an mir. Ich verstand das als Zuwendung, bis er mich im Alter von sieben Jahren in den Schwitzkasten nahm und mit einem Federbett über dem Kopf fast erstickte. Mein Bruder biss ihn in den Arm, dann ließ er von mir ab. Mein Bruder wurde verprügelt. Er schrie fürchterlich und war hinterher grün und blau. Von Stund an war er mein Verbündeter.

Mein „Vater“ überführte damals nebenbei für eine Autovermietung die tollsten Fahrzeuge und war zeitweise Fahrer für namhafte Rockbands. Es war zu Hause immer große Aufregung, dass bloß alles gerichtet war für den „Herrn“. Auch meine Mutter wurde beschimpft, wenn etwas nicht so passte, wie er das wollte. Ich erinnere mich an Tritte gegen sie, während sie devot vor ihm kniete, um seine Schuhe zu putzen. Bei unspektakulären Überführungen nahm er zunächst mehrfach meinen Bruder mit. Der kam seltsam schweigsam zurück und wurde der Mutter gegenüber immer rebellischer. Dann war ich dran. Zunächst dachte ich gar nichts Schlechtes, als er sich entblößte. War ja spannend, denn meine Eltern zogen sich nicht vor uns Kindern aus. Erst als er mich aufforderte, seine Genitalien anzufassen und explizit seine Präferenzen einforderte, bekam ich Angst. Das Auto war in einem Waldweg abgestellt und verschlossen. Den Nötigungen – „wir haben jetzt ein Geheimnis“ – folgten Missbräuche – „Wenn du mit irgendwem darüber sprichst, schlage ich dich tot“. Einmal parkte er das Auto direkt über einer Autoreparatur­Grube und verging sich an mir, auch mit Schlägen. Dann erstickte er mich beinahe. Von da an ließ ich bis zum elften Lebensjahr alles über mich ergehen und sprach nur noch, wenn es gar nicht anders ging.

„Angst und Einsamkeit wurden zum Lebensinhalt.“

Angst und Einsamkeit wurden zum Lebensinhalt. Ich fühlte mich nirgendwo zugehörig, wusste gar nicht wohin mit mir. Auch meine jüngere Schwester war betroffen. Vom Missbrauch ihrer Kinder erfuhr meine Mutter von mir, als ich etwa 24 Jahre alt war. Ich selbst habe mich zeitlebens über Leistung definiert. Letzten Sommer bin ich durch mehrfache Wirbelsäulen- und Schulteroperationen in Angstzustände und Depressionen gekommen. Einfach zusammengeklappt und endlich die Zeit zum Begreifen. Bis jetzt habe ich mich immer in den Hintergrund gedrängt, mich schuldig gefühlt und die nicht zu mir gehörigen Partner gesucht. Denen ich helfen konnte, die mich ausnutzten.

Ich möchte keinesfalls zu einem Elternunterhalt für meinen „Vater“ herangezogen werden, der mich und zwei meiner Geschwister misshandelt und missbraucht hat. Ich möchte mich auch nicht von meinem Mann trennen müssen, damit er vom möglichen Elternunterhalt verschont bleibt. Im Normalfall halte ich den Elternunterhalt für absolut gerechtfertigt. Nur hege ich so einen großen Hass auf meinen „Vater“, der mir mein Leben nicht wieder zerstören darf.