Eines Morgens waren meine Eltern und meine Schwester nicht da. Sie waren im Krankenhaus, denn meine Schwester war schwer krank. Mein Schicksal nahm seinen Lauf. Weil meine Schwester immer öfter in die Klinik musste, holte mich mein Opa aus der Schule ab. Ich dachte mir nichts dabei und ging zu meinen Großeltern.

Meine Oma war nicht da, was jetzt nicht das Schlimmste war, ich war ja gern bei meinen Großeltern. Aber was dann geschah, konnte ich nicht begreifen. Im Alter von neun Jahren begann mein Opa mich zu streicheln, auf den Schoß zu nehmen und mich zu drücken. Ich dachte mir nichts dabei, erst als es mir zu viel wurde, wollte ich es nicht mehr, aber er zog mich an sich. Und dann geschah das Ekelhafteste, womit ich gar nicht mehr klarkam. Er öffnete seine Hose und holte seinen Penis raus. Ich sollte ihn anfassen. Ich wollte das nicht. Er nahm meine Hand und legte sie da drauf. Ich wollte sie wegziehen, es ging nicht. Es war ekelhaft. Er schenkte mir Geld für ein Eis. Ich sollte niemandem davon erzählen, auch Mutti und Vati nicht. Weil sie sonst weggehen würden und ich wäre allein.

Ich war so geschockt, dass ich nichts sagen konnte. Leider blieb es nicht bei dem einen Mal. Es passierte noch öfter, entweder in der Wohnung, wenn Oma nicht da war, oder im Gartenhaus. Ich hatte mich verändert und hatte abgenommen, sodass der Kinderarzt empfahl, mich zur Kur zu schicken. Aber anscheinend war niemandem aufgefallen, dass ich aggressiv und wütend wurde und um mich schlug. Die sechswöchige Kur wurde genehmigt. Eines Tages kam eine Karte von meinen Eltern, was schon so sehr merkwürdig war, weil sie nie geschrieben hatten. Sie sagten mir, dass etwas mit Opa passiert sei. Die Erzieherinnen erzählten mir dann, dass er jetzt im Himmel ist. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ich heulte fast jeden Tag, aber wohl weniger aus Trauer, sondern, dass das jetzt alles zu Ende war.

Keiner hat nachgefragt wieso und warum. Niemand war da, dem man sich anvertrauen konnte. Alle schauten weg.

Ich kam nach Hause und meine Eltern sagten mir, dass Opa verstorben ist. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Das bedeutete, dass ich das alles nicht mehr machen muss, so dachte ich. Deshalb machte es mir nichts aus, zu meinem Onkel zu gehen, um etwas abzuholen. Meine Tante war nicht da. Wir mussten in den Keller, er wollte mir etwas zeigen. Es begann alles von Neuem. Ich konnte es nicht glauben, der Bruder meines Vaters tat genau das Gleiche wie sein Vater. Auf dem Nachhauseweg nahm ich mir vor, dass ich kein Mädchen mehr sein wollte. Ab jetzt bin ich ein Junge, ich wollte keine Kleider und Röcke mehr anziehen, nur noch Hosen. Benahm mich wie ein Junge, ging jedes Risiko ein. Verletzungen waren an der Tagesordnung. Ich machte gerne Sport und war im Handballverein. Es kam alles so schleichend. Eine kurze Umarmung, ein Klapps auf den Po, ein Streicheln. Unser Trainer begann langsam, sich bei mir einzuschleimen. An einem Trainingstag hatte ich Stress zu Hause. Da fing er an mich zu befummeln nach dem Motto, ich tröste dich, du kannst mir alles erzählen. Das ging dann jede Trainingsstunde aufs Neue. Bis ich dann nicht mehr zum Training ging.

In der Lehre ging es wieder los. Unser Sportlehrer lobte mich in den höchsten Tönen. Nahm mich in den Arm, ich drehte mich weg, es war mir unangenehm. In jeder Sportstunde, wenn es keiner sah, fasste er mir an die Brust. Ich konnte nicht mehr, ich blieb wann immer möglich dem Sport fern, ließ mir Ausreden einfallen. Keiner hat nachgefragt wieso und warum. Niemand war da, dem man sich anvertrauen konnte. Alle schauten weg. Heute bin ich krank und kämpfe um die Anerkennung als Opfer sexuellen Missbrauchs. Niemand interessiert es und niemand nimmt meine Geschichte ernst. Auch heute wird man wieder zum Opfer gemacht, weil es einige Leute gibt, die der Meinung sind, sie wüssten besser über Missbrauch Bescheid als das Opfer.