Die Geschichten auf diesem Portal enthalten Schilderungen, die verstörend wirken können. Einige Worte oder Beschreibungen können negative Erinnerungen und unangenehme Gefühle auslösen. Falls Sie das Bedürfnis haben, mit jemanden darüber zu sprechen, nutzen Sie bitte die Angebote zur Beratung & Hilfe.
Auch ich habe eine Geschichte zu erzählen. Kein großes Drama, aber ich habe es noch nie jemandem erzählt. Und das schockiert mich, da ich sehr gute Freunde habe und eine Familie, in der man sich alles sagen kann. Damals war ich 14.
Ich bin in der DDR aufgewachsen, die Nachwendezeit war turbulent, alles fühlte sich unsicher an. Viele Eltern hatten ihre Jobs verloren, niemand wusste, was richtig oder falsch war. So wurden wir schnell erwachsen. Ich war das perfekte Kind, erfolgreich beim Ballett, gut in der Schule, hübsch und beliebt.
Es war ein Sommertag und ich war allein unterwegs. Ein Mann sprach mich an. Unauffällig, circa 50 Jahre alt. Er wäre Fotograf und immer auf der Suche nach neuen, frischen Gesichtern für Versandhauskataloge. Er würde gern mal Fotos von mir machen, ob ich mir das vorstellen könne? Ich fühlte mich geschmeichelt.
Mein Vater begleitete mich zu diesem Fotoshooting. Die Familie und Freunde waren gespannt, ob ich eine Modelkarriere starten würde. Wir sind in einen Park gefahren, und er hat angefangen Fotos zu machen. Ich hatte ein schwarzes kurzes Kleid an, das gleiche Kleid, das ich zu meiner Jugendweihe getragen hatte. Ich habe von Anfang an gespürt, dass etwas nicht in Ordnung war. Ich kann mich an eine Situation auf der Bank eines Spielplatzes erinnern. Ich saß seitlich auf der Bank und sollte die Beine übereinanderschlagen. Ich legte die Beine so übereinander, dass sie geschlossen sind, das macht man beim Tanzen auch so. Er wollte es genau anders herum. Ich habe mich unwohl gefühlt und versuchte auszuweichen.
Mein Vater hatte auch eine Kamera dabei. Er hat den „Fotografen“ und mich fotografiert. Ich glaube, mein Vater war auch skeptisch, er hat nachgefragt, für wen er genau arbeitet und ob er eine Visitenkarte dabeihat. Hatte er nicht.
Er hat gemerkt, dass er an meinen Eltern nicht leicht vorbeikommt.
Wir haben uns ein zweites Mal getroffen, diesmal war meine Mutter dabei. Wir sind wieder ins Grüne gefahren. Er meinte, er würde einen guten Ort für Fotos kennen und hat meine Mutter gebeten uns alleine zu lassen. Das wäre meistens besser für die Fotos, da würde ich mich nicht so beobachtet fühlen und entspannter sein. Das konnte ich sogar noch nachvollziehen.
Ich hatte ein kurzes dunkelblaues Kleid mit feinen weißen Streifen an. Zum Anfang fühlte sich alles noch okay an, er hat mir viele Komplimente in Hinsicht auf meinen Körper gemacht. Dann wollte er, dass ich meinen Ausschnitt weiter öffne, ich habe ein paar Knöpfe geöffnet, aber immer versucht, nicht zu viel zu zeigen. Dann sollte ich mich hinknien und er hat mich von hinten fotografiert. Er fragte, ob er mein Kleid ein Stück hochschieben dürfe. Ich habe mich nicht getraut, Nein zu sagen. Somit hat man meine Unterhose gesehen. Das war keine erwachsene Unterhose, da war irgendeine Comicfigur drauf. Dann hat er meine Unterhose noch weiter zusammengeschoben, sodass man mehr von meinem Po gesehen hat. Ich sollte ein Hohlkreuz machen. Das war schlimm, ich habe mich unwohl gefühlt, ich wusste, dass das nicht richtig war und zu weit ging.
Wie sich die Situation aufgelöst hat, kann ich nicht mehr genau sagen. Wir sind zusammen mit meiner Mutter zurück zum Bahnhof gegangen. Er meinte, er hätte aktuell nur Fotoaufträge für Stringtangas, aber das wäre ja auch ganz normal. Er würde sich dann melden, wenn er einen Job für mich hätte. Er hat sich nie wieder gemeldet. Ich habe ihn nie wiedergesehen. Und ich habe auch nie darüber geredet. Ich denke, er hat gemerkt, dass er an meinen Eltern nicht leicht vorbeikommt.
Von Zeit zu Zeit tauchen die Erinnerungen wieder auf. Und Gedanken. Ich habe nie darüber gesprochen, weil ich das perfekte Bild, das alle von mir hatten, nicht zerstören wollte. Ich wollte meine Eltern nicht damit belasten, ich wollte es mit mir allein ausmachen. Es war damals eine unklare Zeit, mit 14 Jahren konnte ich auch nicht genau sagen, ob das in Ordnung ist oder nicht. Aber es fühlte sich ungut an und nachdem die Fotos gemacht waren, fühlte ich mich schuldig und habe mich dafür geschämt. Es ist nichts „Schlimmes“ passiert, aber trotzdem ist ein Foto ein Foto. Es hätte schlimm ausgehen können, in welcher Form auch immer. Ich war bestimmt nicht die Einzige. Es hat keinen großen Einfluss auf mein Leben gehabt, aber trotzdem merke ich, dass ich mich angesprochen fühle, wenn es um sexuellen Missbrauch geht.
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