Ich möchte ein Ereignis berichten, das ich als Kind sehr verstörend fand, ohne wirklich zu verstehen, was geschah. Es war keine große Sache und ist dennoch bis heute in meiner Erinnerung immer wiederkehrend. Ich verstehe nicht, warum ich mich nicht gewehrt habe, und ich empfinde es bis heute als Versagen, dass ich so ein wehrloses Opfer war.

Anfang der 1960er-Jahre, mit 11 Jahren, bin ich täglich aus unserem Dorf mit dem Bus zur Schule in die Stadt gefahren, insgesamt 15 oder 20 Minuten. Der Bus war vor allem im Winter mittags oft extrem voll. Bei einer solchen Rückfahrt, bei der Kinder und Erwachsene eng gedrängt standen, hat sich ein Mann von hinten an mich gedrückt. Ich dachte zunächst dies passiere, weil es eben so eng war und während der Fahrt unruhig. Dann habe ich aber gemerkt, dass er sich absichtlich fest an mich gedrückt und dabei mit seinem Glied an mir gerieben hat. Ich habe das alles damals noch nicht wirklich verstanden, aber ich habe mich auch nicht getraut, etwas zu sagen oder mich zu wehren. Ich habe versucht, ihm auszuweichen, aber das war wegen der Enge im Bus nicht möglich. Ich glaube, sonst hat niemand meine Not bemerkt. Die Bushaltestelle mit der Möglichkeit zu entkommen war die Erlösung.

Ich habe das alles damals noch nicht wirklich verstanden.

Einmalig und keine große Sache, wenn man andere Leidensgeschichten liest, und es beschäftigt mich doch heute mit über 60 Jahren als Akademikerin mit Erfolg in Beruf und gelungener familiärer Karriere immer noch. Ich konnte so vieles erreichen. Aber wieso habe ich mich damals nicht gewehrt? Ich verstehe es nicht und bin mit mir unglücklich, wenn ich daran denke, weil ich kein Opfer sein will.