Mit neun Jahren wurde ich Messdiener. Hier begann mein Leidensweg. Da die Pfarrstelle unterbesetzt war, wurde ein Pater eingesetzt, um den Pfarrer zu entlasten, das war mein Peiniger. Nach jedem Messdiener-Unterricht und jedem Gottesdienst musste ich mit ihm ins Pfarrhaus, allerdings immer nur dann, wenn der Pfarrer nicht anwesend war.

Das Ganze begann mit Süßigkeiten, Streicheln und Aufmerksamkeit, das kannte ich von zu Hause so nicht. Dann steigerte es sich in Küssen und Berührungen am ganzen Körper, bis hin zur Berührung meines Geschlechtsteiles. Ich wurde eingeschworen, dass dies niemand erfahren dürfe, sonst würde ich eine Todsünde begehen und in der Hölle im ewigen Feuer brennen. Dazu wurden mir Bilder gezeigt, die in meiner damaligen Vorstellung unbegreiflich scheußlich waren und mich in eine tiefe Angst versetzten. Bei jedem Besuch wurde das verstärkt und immer wieder mit dem Verbot zu sprechen belegt. Dann fing er an mich auszuziehen und ich musste nackt vor ihm stehen. Ich wurde gestreichelt und er nahm mein Geschlechtsteil in den Mund. Mir war schlecht. Ich hatte wahnsinnige Angst und fing an, aus mir herauszugehen und alles von oben zu betrachten, damit ich diesen wahnsinnigen Schmerz nicht mehr spürte. Als er auch sich entkleidete und ich sein Geschlechtsteil anfassen und damit spielen musste, war ich für eine gewisse Zeit nicht mehr bei mir. Ich fühlte nur Leere und dachte an einen Engel, der mir bestimmt helfen würde.


Ich fühlte nur Leere und dachte an einen Engel, der mir bestimmt helfen würde.

Meine schulischen Leistungen sanken ins Uferlose, mein Lachen verschwand und Freude konnte ich nicht mehr empfinden. Ich wurde zu einem Außenseiter ohne Freunde und ohne soziale Bindungen. Selbst meine Eltern, die sehr religiös waren, haben meine Veränderung nicht wahrgenommen. Ich aber war an ein teuflisches Versprechen gebunden. Manchmal ging es so weit, dass ich das Gefühl hatte, jetzt sei der richtige Moment um zu sterben, ich habe alles erfüllt, was der Pater mir gesagt hat und ich komme jetzt bestimmt in den Himmel. Also hatte ich den Plan, mich vor den Bus zu stellen, wenn er durch unsere Straße fuhr. Ich habe jeden Tag auf den Bus gewartet, aber irgendwie doch nicht den Mut gehabt. Das ging über die ganzen Sommerferien, bis ich es dann aufgegeben hatte.

Eines Tages war der Pater einfach nicht mehr da. Als ich nach ihm fragte, bekam ich die Auskunft, dass er jetzt in einer anderen Pfarrei Dienst für Gott verrichte. Mein ganzes Leben ist seither schlimm verlaufen, ich habe versucht, alles zu verdrängen. Selbst als ich geheiratet hatte, wusste niemand davon. Fast wäre auch meine Ehe daran gescheitert, weil ich keinerlei Berührung zulassen konnte. Ich musste fast 40 Jahre alt werden, bis ich darüber das erste Mal reden konnte, aber wirklich befreit hat es mich nicht. Seitdem gehe ich in Therapie und kann heute damit umgehen, allerdings gibt es immer wieder Trigger, die mich in Situationen bringen, die nur sehr schwer auszuhalten sind, auch für meine Frau.

Das Schlimmste ist, dass mir von der Kirche neben der sogenannten Anerkennungsprämie von 4.000 Euro alles Mögliche versprochen wurde in Bezug auf Übernahme der Therapiekosten und ich heute jedes Mal betteln muss, um noch ein paar Stunden Therapie zu bekommen. Denn heute sitzen da wieder andere Gottesdiener und halten das Geld zusammen.