Ich bin die Tochter eines evangelischen Pfarrers. Meine Kindheit habe ich sehr einsam in Erinnerung. Meine Mutter litt an Depressionen und war sehr mit sich und meinem jüngeren Bruder beschäftigt. Mein Vater lebte nur für seinen Beruf. Er interessierte sich nicht für mich, nur für meinen Körper. Ich war sehr zurückgezogen, schüchtern und hatte keine Freunde. In der Schule wurde ich gemobbt, auch weil mein Vater dort den Religionsunterricht gab. Mein einziger Schutz und Trost war die Flucht in meine Traumwelt.

Ich hatte eine schlimme Pubertät. Meine Mutter ignorierte sie komplett. Sie klärte mich nicht auf, kaufte mir weder BH noch Hygieneartikel. Dazu kam, dass mein Busen nicht aufhörte zu wachsen und überhaupt nicht zu meinem kleinen Körper passte. Mein Vater fand ihn dafür sehr toll. Ich konnte nicht mehr in Ruhe fernsehen. Er kam dazu und hat rumgegrabscht und sich daran befriedigt. Ich war leider zu beklemmt und nicht in der Lage, einen BH zu kaufen, so hatte er freie Fahrt. Einmal kam meine Mutter herein und fragte: „Was macht ihr da?“ Ich fühlte mich mitschuldig.

Samstag war Badetag. Unsere Badtür hatte keinen Schlüssel. Er kam jede Woche, jahrelang. Wo meine Mutter war, weiß ich bis heute nicht. Er begutachtete meinen ganzen Körper und begrabschte ihn. Manchmal war er nackt am Waschbecken. Damals dachte ich, er würde sich da unten waschen.

Jahrzehntelang habe ich geschwiegen und mit meinen Eltern die perfekte Pfarrersfamilie gespielt.

Ich habe auch dunkle Erinnerungen nachts in meinem Zimmer, während ich schlief oder er meinte, dass ich schlief. Ich habe nie mit jemandem darüber gesprochen. Jahrzehntelang habe ich geschwiegen und mit meinen Eltern die perfekte Pfarrersfamilie gespielt. Ich habe immer gewusst, mit mir stimmt was nicht, ich bin anders als alle anderen. Habe mir die Schuld gegeben und mich geschämt.

Ich bin verheiratet und habe erwachsene Kinder. Einige Zeit konnte ich die Vergangenheit gut verdrängen, aber irgendwann holte sie mich ein. Ich leide unter Berührungsängsten, habe eine stark ausgeprägte Arztphobie, kein Selbstwertgefühl und kein Selbstbewusstsein. Es wurde von Jahr zu Jahr schlimmer. Als mein Mann mich verlassen wollte, habe ich das erste Mal darüber gesprochen. Ab dem Zeitpunkt habe ich mich mit dem Thema auseinandergesetzt, bin in einen Verein gegen sexuellen Missbrauch eingetreten. Manchmal habe ich nach Therapeuten gegoogelt. Mehr habe ich nicht geschafft.

Meine Narbe wurde explosionsartig aufgerissen, als mich ein Kollege sexuell belästigte. Ich verhielt mich sofort wie in meiner Jugendzeit, konnte mich nicht wehren. Ich war kurz vor meiner Kündigung, da hat mir eine Kollegin sehr geholfen, sodass er letztendlich gehen musste. Seitdem lasse ich endlich Hilfe zu. Ich mache eine Therapie bei einer sehr guten Psychologin und komme jeden Tag ein Stückchen weiter. Meine Mutter habe ich mit der Wahrheit konfrontiert. Leider will sie es nicht wahrhaben und hält weiter an der perfekten Welt fest.