Bei meiner ersten Kontaktaufnahme mit dem Orden beteuerte der Täter, dass dies ein Einzelfall gewesen sei und entschuldigte die Straftat mit dem Genuss von Alkohol. Nur aus meinem freundschaftlichen Kontakt mit früheren Heiminsassen konnte ich erfahren, dass er genau das Gleiche an weiteren Personen im Heim verübt hatte. Einer der Jungen aus meiner Gruppe hatte sich erhängt. Auch er war sexuell missbraucht worden.

Der Pater hatte sich nach meiner Anzeige im Orden in einem Schreiben an mich gewandt und mir erst einmal das Du angeboten. Dann bemerkte er weiter, dass ich mit ihm darüber hätte sprechen können, um einen „guten Abschluss der Angelegenheiten“ zu bekommen. Wir Opfer der schweren Taten hätten damals niemals gewagt, irgendjemandem von unserem Leiden zu erzählen. Wir waren der Meinung, es hätte uns niemand geglaubt. Die Angst, das Heim als Lügner und Märchenerzähler verlassen zu müssen, überwog alles andere, was wir uns für unsere weitere Zukunft vorstellen wollten.

Die Angst, das Heim als Lügner und Märchenerzähler verlassen zu müssen, überwog alles andere, was wir uns für unsere weitere Zukunft vorstellen wollten.

Nachdem die Vorwürfe des Missbrauchs in der katholischen Kirche öffentlich wurden, ging es gesundheitlich mit mir bergab. Auch beim Schreiben dieses Briefes macht sich mein hoher Blutdruck bemerkbar. Immer wenn ich mich an die schlimmen Taten von früher erinnerte, dachte ich, dass ich es schaffe, alles zu vergessen und dass diese Ereignisse mein Leben nicht verändern können.

Ich möchte endlich mit diesem Kapitel abschließen, das mich schon mehr als 50 Jahre plagt und manch schlaflose Nacht bereitet hat. Ich habe sehr viel Glück mit meiner Ehefrau gehabt, die mit mir durch dick und dünn gegangen ist und mit der ich von der Zahlung der Wiedergutmachung eine große Reise machen werde.