Anfang der 1970er-Jahre stand meine Erstkommunion an. Ich war neun Jahre alt. Das Haus, das ich mit meinen Eltern und meinen Geschwistern damals bewohnte, verfügte erst wenige Jahre vor meiner Geburt über fließendes Wasser. Zuvor musste das Wasser von den Nachbarn oder von der nahe gelegenen Brunnenstube per Eimer ins Haus gebracht werden. Als wir Kinder auf der Welt waren, musste das Wasser auf dem Herd erhitzt werden. Eine Badewanne hatten wir erst viele Jahre später und eine Zentralheizung war nicht vorhanden.

Während der Vorbereitungszeit zur Erstkommunion war der Pfarrer bei uns im Haus und bekam die Verhältnisse mit. Er bot uns an, dass ich bei ihm im Pfarrhaus baden durfte! Angesichts der Tatsache, dass wir kein Fließendwarmwasser hatten, geschweige denn eine Badewanne, war das natürlich eine tolle Aussicht.

Ich kann mich nicht daran erinnern, ob der Pfarrer mir dabei zusah, wie ich mich ausgezogen habe. Auf jeden Fall bekam ich ein kleines Lätzchen, das meine Genitalien bedeckte, aber wie bei einer Metzgerschürze hinten offen war. Als ich nun in der Wanne lag, stand er links neben mir und begrabschte mich. Dabei gab er mir Anatomie-Unterricht, wie die einzelnen Körperteile hießen, die er befummelte. An die Begriffe kann ich mich nicht erinnern, vielleicht waren sie auch nur erfunden.


Er bot uns an, dass ich bei ihm im Pfarrhaus baden durfte.

Er bläute mir ein, niemandem etwas von alledem zu erzählen. Ich erinnere mich, dass er meinte, ich solle mir vorstellen, ich wäre ein Agent oder Spion. Möglicherweise habe ich das Wort nicht verstanden und er hat es mir erklärt. Auf jeden Fall sei alles geheim.

In seinem Arbeitszimmer hatte der Pfarrer eine Schreibmaschine. Es war für mich und die dabei mit anwesenden Kommunikanten eine tolle Sache, auf so einem Gerät rumzutippen. Während der Pfarrer in der Badewanne an mir rumfummelte, stellte er mir jedes Mal in Aussicht, dass ich bevorzugt an der Schreibmaschine tippen dürfe.

Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich mich meinen Eltern offenbarte. Auf jeden Fall hatte ich auf die Ereignisse folgend eine ausgeprägte Wasserphobie. Ich entwickelte auch eine furchtbare Phobie, meine Haut zu entblößen. Während meine Brüder im Sommer der Jahreszeit entsprechend T-Shirts und kurze Hosen trugen, hatte ich Pullover an. Als 14-Jähriger fuhr ich mit meinen Klassenkameraden zu einem Landschulaufenthalt. Die anderen waren sommerlich gekleidet, ich trug sogar eine Lederjacke. Darauf angesprochen, verneinte ich vehement, in meiner Kleidung zu schwitzen.

Mitte der 1990er-Jahre sprach ich mit meinem Freund, den ich während des Studiums kennengelernt hatte, über das Thema. Er meinte, es wäre ein adäquater Schritt, das Grab des Pfarrers ausfindig zu machen, um am Grabkreuz die Inschrift „Kinderschänder“ zu hinterlegen. Ich habe nicht gewusst, wo sein Grab ist und habe mich dann nicht weiter darum gekümmert.

Erst viel später erfuhr ich durch meinen Patenonkel, dass in der Zeit, in der mich der Pfarrer begrabschte, noch einem Jungen in der Gegend das Gleiche widerfuhr. Der Pfarrer hatte wohl so eine Art Bauwagen im Wald, in dem er den Jungen missbrauchte. Jahrzehnte später hörte ich auch, dass er wegen eines ähnlichen Vorfalls von Gott weiß wo her zu uns versetzt wurde.

Ich muss sagen, es ist eine große Erleichterung, sich nach der langen Zeit schriftlich mit den Ereignissen auseinanderzusetzen.