Ich möchte berichten, dass ich von verschiedenen Personen sexuell missbraucht wurde, auch von mehreren Personen gleichzeitig. Auch andere Kinder waren betroffen. Beteiligt waren mein Vater, mein Opa, ein anderer naher Verwandter, ein Arbeitskollege meines Vaters und weitere Männer. Mein Vater und die anderen Männer waren organisiert, sie machten Fotos und Videos von uns und dem Missbrauch. Wir wurden begutachtet, herumgereicht, und es wurden Dinge an uns ausprobiert. Wir wurden eingesperrt. Männer standen um uns herum, im Kreis, mit Masken. Sie hielten uns fest. Mein Vater hat mir den Mund zugeklebt, weil ich geschrien habe.

Mein Opa missbrauchte mich auch unabhängig von diesen organisierten Situationen, wenn ich bei meinen Großeltern zu Besuch oder mit ihnen im Schwimmbad war. Er spielte Arztspiele mit mir, ich musste beim Schwimmen mit ihm in eine Kabine zum Umziehen, ständig gab es Situationen, in denen es zu Übergriffen kam. Mein Vater missbrauchte mich auch einzeln, oft früh morgens oder nachts. Als ich älter war, nahm er Geld von Männern, die mich irgendwohin mitnahmen. Einmal wurde ich in einem Kofferraum irgendwohin gebracht, aber ich kann mich nicht erinnern, was dann passierte. Er nahm mich auch auf Schrottplätze mit, ich erinnere nicht, ob es um andere Geschäfte oder Kinder ging, aber es war unangenehm, Männer fassten meine Haare an und sprachen über Geld.

Da ich als Kind mit meiner Familie bei den Zeugen Jehovas aufwuchs, gab es eine Gemeinde, zu der wir gehörten. Es gab dort ein zehnjähriges Mädchen, die meinem Opa vorgeworfen hat, sie vergewaltigt zu haben, da war ich neun Jahre alt. Es hatte bereits zuvor solche Anschuldigungen gegen meinen Opa gegeben. Diese wurden jedoch immer wieder zurückgenommen, da eine interne Regelung und der Umgang damit es den Kindern praktisch verunmöglichte, Recht zu bekommen. Das Komitee, das in diesen Fällen zusammenkommt, besteht ausschließlich aus Männern der Gemeinde. Es gab Menschen, die von den Anschuldigungen wussten, die ganze Gemeinde kannte mindestens diesen einen Fall. Im Alter von zwei Jahren war ich erstmals mit schweren Verletzungen mit meiner Mutter beim Kinderarzt. Was er darüber dachte, weiß ich natürlich nicht. Er tat jedoch nichts, als meine Mutter sagte, sie würde sich „darum kümmern“.

Es gab Situationen in meiner Kindheit, in denen meine Mutter mich am Arm zu meinem nackten Vater zerrte und schrie, das sei doch, was ich wollte. Die Ehe meiner Eltern war sehr von Gewalt geprägt, und meine Mutter war abhängig von meinem Vater. Es waren insgesamt schwierige Verhältnisse. Es gab noch einen anderen entfernten Verwandten, der bereits ein Gerichtsverfahren wegen Kindesmissbrauchs hinter sich hatte und aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden war. Wir waren regelmäßig bei meinen Großeltern, und dieser Verwandte war dort ebenfalls, obwohl alle Erwachsenen davon wussten. Meine Mutter sagte mir, ich solle mich von dem fernhalten, weil er böse sei. Da war ich vier Jahre alt.

Wir werden nie frei sein.

Seit meinem zehnten Lebensjahr hatte ich eine Essstörung. Mit elf Jahren betrank ich mich vor der Schule und nahm irgendwelche Tabletten, was keinem auffiel. Es gab eine Zeit, in der ich mich fast täglich im Krankenzimmer der Schule aufhielt. Ich schlief dort. Auch wenn Leute etwas mitbekamen, reagierte niemand. Es gab einen Schwimmlehrer in der 7. Klasse, der mit meinen Eltern sprechen wollte, da ich so blau aussähe und etwas nicht in Ordnung sei, aber meine Eltern meldeten mich vom Schwimmunterricht ab, und der Lehrer ließ es auf sich beruhen. Auch als ich bereits von zu Hause ausgezogen war und noch zur Schule ging, gab es niemanden im Schulsystem oder an anderer Stelle, der sich für etwas anderes als meine Leistung interessierte.

Ich bin vor dem 18. Lebensjahr mithilfe des Jugendamtes ausgezogen. Seit dem Prozess bin ich in therapeutischer Behandlung. Ich habe eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung und lebe trotz akademischen Abschlusses aufgrund der gesundheitlichen Situation in prekären Verhältnissen.

Ich konnte mich bis vor einigen Jahren nicht an meine Kindheit erinnern. Dann gab es einen Gerichtsprozess, in dem mein Vater und der nahe Verwandte für mehrere Fälle des sexuellen Kindesmissbrauchs angeklagt waren. Sie wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Bei dem Gerichtsprozess kam es bei mir zu einer Retraumatisierung, ich musste stationär behandelt werden, und es ging mir sehr schlecht, als ich anfing mich zu erinnern. Ich konnte nichts zum Missbrauch vor Gericht aussagen, da ich zum Zeitpunkt der Befragung keine Erinnerung hatte. Als ich im Gericht so nah an den Angeklagten saß, hatte ich Panik und war dissoziiert, ohne dass ich wusste, dass dem so war und es hätte erklären können. Von den Richtern, Richterinnen und Schöffen hatte nur eine überhaupt annähernd Verständnis für meine Sprachlosigkeit, von den anderen wurde mir suggeriert, ich würde lügen, was es noch schlimmer machte.

Besonders hervorheben möchte ich noch die Psychologin, die ohne Trauma-Spezialisierung bei Gericht Aussagegutachten angefertigt hat, in denen die Opfer verunglimpft und ritueller Kindesmissbrauch grundsätzlich infrage gestellt wurde. Es ist ein großes Problem, dass bei Menschen, die als RichterInnen und psychologische Fachkräfte über Fälle entscheiden, kein hinreichendes Wissen über Trauma vorliegt und dementsprechend Verfahren so katastrophal verlaufen. Die Täter sind weiterhin frei. Und die Opfer, wir, wir werden nie frei sein.