Die Geschichten auf diesem Portal enthalten Schilderungen, die verstörend wirken können. Einige Worte oder Beschreibungen können negative Erinnerungen und unangenehme Gefühle auslösen. Falls Sie das Bedürfnis haben, mit jemanden darüber zu sprechen, nutzen Sie bitte die Angebote zur Beratung & Hilfe.
Es ist in der Schulzeit passiert durch einen Lehrer. Als es anfing war er fünfzig, ich war 14. Ich hatte zu der Zeit viele Probleme mit meinem Vater. Meine Eltern waren getrennt seit ich sechs bin. Mein Lehrer interessierte sich sehr für meine Person und meine Probleme. Ich habe mich daher sehr gut aufgehoben gefühlt und dachte, er meint es gut mit mir.
Es fing mit harmlosen Sachen an. Er hat mich mal mit dem Auto nach Hause gebracht oder zu sich zum Fußball gucken eingeladen. Irgendwann fingen wir an zu chatten und dann habe ich Weihnachtsgeschenke bekommen. Als ich 15 war, ging das dann auch körperlich weiter. Ich dachte, das gehört dazu. Wenn er das als Erwachsener macht, ist das wohl richtig.
Doch ab da ist sein Umgang mit mir komplett umgeschlagen. Er schrie mich ständig an und beschuldigte mich, ich würde sein Leben zerstören. Ich würde ihn schlecht behandeln, weil ich nie zum richtigen Zeitpunkt bei ihm wäre, sondern stattdessen zum Tennistraining gehen oder Freunde treffen würde. Ich verstand gar nichts und versuchte gleichzeitig alles richtig zu machen.
Mein Lehrer hatte zu dem Zeitpunkt eigentlich auch eine Partnerin in seinem Alter. Er hat trotzdem immer davon geredet, dass wir eine ganz besondere Beziehung hätten. Ich weiß noch, ich habe dieses Wort mal gegoogelt, weil ich es nicht kannte. Das sagt man ja als 15-Jährige so gar nicht.
Für mich war er damals eine unglaublich wichtige Person. Ich sah in ihm den Vater, den ich mir gewünscht hätte. Sicher fühlte ich mich auch geschmeichelt, wenn er sagte, ich wäre der wichtigste Mensch in seinem Leben.
All das lief natürlich heimlich, meine Mutter wusste es nicht und auch sonst keiner. Bis eine meiner Ausreden aufflog. Ich hatte meiner Mutter erzählt, ich sei bei einem Freund. Dieser Freund rief dann bei mir zu Hause an und schließlich meine Mutter bei mir - wutentbrannt und auch besorgt: „Wo bist Du?“
Dieses Wort "Missbrauch", das hat gedauert, bis ich das für mich anerkennen konnte.
Ich bin tränenüberströmt nach Hause und habe nach und nach erzählt. Natürlich nicht alles und nicht wahrheitsgemäß. Als allererstes musste meine Mutter mir versprechen, dass sie nicht zum Direktor und nicht zur Polizei geht. Er hatte mir ja klar gemacht, dass er seinen Job verliert, wenn das in der Schule jemand erfährt. Denn tatsächlich war er schon mal von einer anderen Schule geflogen, weil er was mit einer 17-jährigen Schülerin hatte. Das hatte er mir erzählt.
Ich war also voller Sorge um ihn und ich habe meine Mutter bekniet, dass ich weiter zu ihm hingehen darf. Sie hat dann eingewilligt, in der Hoffnung, dass das nur so eine Schwärmerei von mir sei und ich mir bald jemanden in meinem Alter suchen würde. Meine Mutter merkte allerdings, dass ich immer relativ zerstört von ihm nach Hause kam. Sie merkte, dass es mir schlecht ging und verbot mir schließlich, dass ich weiter zu ihm gehe.
Bei mir stand sowieso ein Auslandsaufenthalt an, so dass wir in dem halben Jahr keinen Kontakt hatten. Danach hatte ich auch das Gefühl gestärkt zu sein und ich hielt mich von ihm fern. Der Kontakt intensivierte sich erst wieder, als er wegen einer schweren Depression in eine Klinik kam und sich sehr viel bei mir meldete. Als er entlassen wurde, war ich 18, aber ich bin dann direkt nach dem Abi wieder ins Ausland gegangen. Das war meine Ausflucht, in der ich mein Ding machen konnte.
Danach ging es trotzdem noch ein paar Mal wieder von vorne los - das Anschreien, die Vorwürfe, die Abhängigkeit. Schließlich habe ich die Reißleine gezogen, weil ich gemerkt habe, dass ich das nicht mehr unter Kontrolle habe. Ich habe mir einen Therapeuten gesucht und der hat mir schnell klar gemacht, dass das missbräuchliches Verhalten ist. Durch die Therapie habe ich es geschafft, den Kontakt komplett abzubrechen und mich von meinen Schuldgefühlen zu befreien.
Doch dieses Wort „Missbrauch“, das hat gedauert, bis ich das für mich anerkennen konnte. Ich fing an im Internet zu recherchieren, was „Missbrauch“ überhaupt heißt. Schließlich habe ich mich vor ein paar Jahren bei einer Anwältin erkundigt, wie das wäre, wenn ich ihn anzeigen würde. Ich wollte mich endlich einmal wehren. Und ich spürte auch eine Verantwortung dafür, dass solche Leute verurteilt werden. Am Ende habe ich mich aber entschieden, nicht nochmal zwei Jahre meines Lebens damit zu verbringen, weil ich schon neun Jahre geopfert hatte.
In dieser ganzen Zeit hatte ich keine Beziehung zu gleichaltrigen Männern. Das konnte ich erst richtig nach der Therapie. Heute bin ich selbst Mutter und möchte, dass aus meiner Geschichte etwas Sinnvolles entsteht und es anderen nicht so ergeht wie mir.
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