Unser Klassenlehrer in der dritten Klasse wurde im Laufe des Schuljahres aus „gesundheitlichen Gründen“ pensioniert. Ich war eine seiner bevorzugten Schülerinnen, was mit Sicherheit leicht war, da ich nett, wohlerzogen und gut in der Schule war. Ich weiß nicht mehr den Grund, aber eine Freundin und ich besuchten ihn am Ende der dritten Klasse zu Hause. Er wohnte ganz in der Nähe der Schule mit einem schönen großen Garten. Als ich kurz allein mit ihm war, lud er mich ein, ihn doch mal ohne das andere Mädchen zu besuchen.

Ich war völlig unbedarft, ein kleines ahnungsloses Kind, das sich etwas geschmeichelt fühlte. Einige Zeit später kam ich der Aufforderung nach. Ab diesem Zeitpunkt begann ein Missbrauch meiner Person, der sich bis zu meinem 16. Lebensjahr hinzog. Anfangs kapierte ich gar nicht, was überhaupt geschah. Er war sehr subtil. Ich sollte mich ins Bett legen, damit mir nicht kalt ist, meine Kleidung ausziehen, damit er sehen kann, ob mein Rücken gerade ist, mein Geschlecht ansehen lassen, damit da keine Infektion ist. Und das alles immer mit der Versicherung, wie „narrisch gern“ er mich habe. Ich rutschte da hinein und kam nicht mehr raus, traute mich nicht Nein zu sagen, traute mich nicht, jemandem etwas davon zu erzählen. Details unserer Zusammenkünfte sind nur eklig und ich habe es gehasst, ohne mich davon befreien zu können. Ich musste ihn mit nicht mal zehn Jahren manuell befriedigen und mich überall anfassen lassen. Noch heute sehe ich den riesigen Kupferteller mit den Verzierungen vor mir, der über seinem Bett hing.

Wenn ich versuchte, die Besuche einzuschränken, rief er daheim an, bot meiner Mutter Unterstützung bei meinem Lernen an, organisierte Basteleien und Konzertbesuche mit mir. Er schaffte es jedes Mal, seine Frau aus dem Haus zu bringen in der Zeit, in der ich da war. Das ging fast sieben Jahre lang.

Wie konnte er so lange Grundschullehrer sein?

Meine Mutter sprach mich in all der Zeit ein einziges Mal darauf an, ob er etwas mit mir machen würde, was komisch sei. Ich verneinte. Damit war das kein Thema mehr. Dennoch waren meine Eltern lieb und fürsorglich. Ich weiß nicht, warum sie nicht mehr insistiert haben. Als ich größer wurde und mit 16 meinen ersten Freund hatte, schaffte ich es endlich, den Kontakt abzubrechen.

Ich bin sicher, dass ich nicht das erste und auch nicht das einzige Kind war, das er missbrauchte. Wie konnte er so lange Grundschullehrer sein? Wieso haben meine Eltern nicht mehr gefragt? Ich wollte ihn nicht mehr besuchen, und wenn ich doch dort war, wollte ich immer baden, um den Geruch abzuwaschen.

Ein halbes Jahr nachdem ich meinen Freund und jetzigen Mann kennenlernte, wurde ich magersüchtig. Dann bekam ich die Kurve, habe aber bis heute kein normales Verhältnis zum Essen. Es fällt mir schwer, über mich zu reden und vieles mache ich mit mir aus, auch wenn ich mir oft wünschen würde, dass einer fragt. Mein Mann ist der Einzige, der davon weiß. Das Kuriose ist, dass ich meine Kindheit trotzdem als glücklich beschreiben würde und diesen Bereich ausblenden kann. Ich bin seit 23 Jahren verheiratet und wir haben drei Kinder. Ich behaupte, dass ich einen derartigen Missbrauch bei meinen Kindern gemerkt hätte. Warum nicht meine Eltern?