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Vor einigen Tagen las ich in der Zeitung einen Bericht einer jungen Frau, die in ihrer Schulzeit Liebesmails von ihrem über 50‐jährigen Lehrer erhalten hat. Am Ende stellte sie die Frage, wo Missbrauch beginnt. Da wurde mir plötzlich ganz klar, dass es sexueller Missbrauch war, was mir passiert ist.
Ich hatte in den 70er‐Jahren ein mehrere Jahre andauerndes sexuelles „Verhältnis“ zu meinem Kunstlehrer. Er war ein cooler Typ, Weltenbummler, Werklehrer, 32 Jahre alt und ich knapp 14 Jahre. Eines Tages fragte er mich nach dem Unterricht, ob ich ihn mal nachmittags besuchen wolle. Ich war erstaunt, neugierig, geschmeichelt, wusste aber auch, dass das nicht in Ordnung ist, und fragte nach dem Grund. Er wolle mir etwas zeigen, war seine Antwort. Aber er betonte, dass ICH es wirklich selbst entscheiden dürfe, ich könne ENTWEDER kommen ODER nicht. Es gab zwei Codeworte: „Oder“ heißt Ja, „Entweder“ heißt Nein. Ich solle mir ein paar Tage Zeit mit der Antwort lassen. Da begann für mich aus heutiger Sicht bereits der psychische Missbrauch.
Ich bin mit dem Fahrrad hingefahren, er wohnte im Nachbardorf, es wurde ein etwas verwirrender Nachmittag. Er sagte, er habe sich in mich verliebt, wisse aber, dass das nicht ginge, er wolle mich einfach nur mal im Arm halten. Weiter ist an diesem Nachmittag nichts passiert. Also fuhr ich immer wieder hin, irgendwann kam es dann zum Missbrauch. Ich wollte das nicht und wollte es doch. Ich war sehr ambivalent, es war ja irgendwie schmeichelhaft und dennoch fühlte ich mich nicht frei in meiner Entscheidung. Trotzdem fuhr ich hin, und bald kam es immer dazu, jedes Mal ungeschützt. Er meinte, falls ich schwanger würde, wäre es doch eigentlich was Schönes, aber wenn ich dazu noch nicht bereit sei, könne man sowas ja auch wegmachen lassen.
Der Briefkopf war jedes Mal mit dem Stempel „Deutscher Verein für Päderasten und Pädophile“ versehen.
Irgendwann erfuhr ich, dass er geheiratet hatte. Er hatte mir nichts davon erzählt und traf mich weiterhin. Der Sex fand dann in seinem VW‐Bus statt. In dieser ganzen Zeit bekam ich keinerlei Liebesbeweise oder Briefe, auf die ich sehnlichst hoffte. Als dieser Mann dann an eine deutsche Schule ins Ausland ging, begann er mir Briefe zu schreiben. Darin erwähnte er ab und zu mal etwas über unsere „Beziehung“, aber nur in vagen Andeutungen. Der Briefkopf war jedes Mal mit dem Stempel „Deutscher Verein für Päderasten und Pädophile“ versehen.
Später erfuhr ich, dass er wieder in der Stadt sei und Lehrer an einer anderen Schule war. Da ich die Leiterin kannte, erzählte ich ihr von meinem Erlebnis und bat sie, mehr als nur ein Auge auf ihn zu werfen. Irgendwann traf ich ihn bei einer Radtour mit meinen Kindern und er fragte mich, ob wir mal einen Spaziergang machen wollten. Da sah ich meine Chance gekommen, ihn mit seinen Briefen, dem Absender und der ganzen Geschichte zu konfrontieren. Das Treffen fand nicht statt und nachdem die Geschichte verjährt war, habe ich alle Briefe verbrannt. Aber befreit habe ich mich nicht gefühlt.
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