Der Missbrauch fand über zwei bis drei Jahre im Rahmen von Kindertanzstunden durch den Übungsleiter statt. Ich war im Grundschulalter, etwa acht bis zehn Jahre alt. Der Leiter der Kindertanzstunden war gleichzeitig mein Grundschullehrer. Er nahm die Kinder gerne auf den Schoß, auch während des Unterrichts. Anfangs war das für mich Normalität, weil ich nur auf dem Schoß saß, es aber noch zu keinen mir bewussten Berührungen kam.

Ein paar Kinder unserer Klasse nahmen regelmäßig an Kindertanzstunden im 15 km entfernten Ort teil. Er holte die Kinder im eigenen PKW von zu Hause ab und nahm sie mit zu den Tanzstunden. Unter dem Vorwand, für die Stunden etwas vorbereiten zu müssen, waren wir oft früher in der Turnhalle. Da waren noch keine anderen Kinder da. Wenn ich mit ihm alleine war, forderte er mich auf, zu ihm zu kommen, mich auf seinen Schoß zu setzen. Er berührte meine Brüste, sagte, die seien ja schon ganz schön groß. Ich war höchstens zehn Jahre alt! Er berührte dann auch meinen Schritt. Ich befreite mich aus der Situation, indem ich aufstand und in der Turnhalle herumturnte. Er forderte mich immer wieder auf, zu ihm zu kommen und wiederholte das Ganze. Auch auf den Autofahrten war er übergriffig und sagte, dass mir das gefallen würde.

Ich habe mich dann nicht getraut, davon zu erzählen.

Ich hatte nicht den Mut, mit meinen Eltern darüber zu sprechen. Ich verweigerte nur die Teilnahme an den Tanzstunden. Meine Eltern fragten zwar, warum ich nicht mehr zum Tanzen wolle, kümmerten sich aber nicht weiter darum, als ich keine zufriedenstellende Antwort gab. In der Schule fand zwar weiterhin das „Auf-dem-Schoß-Sitzen“ statt, aber es kam zu keinen weiteren Berührungen.

Eines Tages erzählte mir meine Mutter, dass ein anderes Mädchen aus meiner Klasse eine Anzeige gegen den Lehrer erstattet habe, wegen sexueller Übergriffe. Meine Mutter fragte mich aber nicht, ob mir sowas auch passiert wäre, sie sagte nur, wie blöd die Eltern dieses Mädchens seien, der Lehrer hätte die Kinder eben gerne auf dem Schoß, das sei in Ordnung. Ich habe mich dann nicht getraut, davon zu erzählen, bis heute.

Ich glaube, dass viele Kinder in meiner Klasse ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Ich kann mich erinnern, dass während der Autofahrten zu den Tanzstunden manchmal auch andere Kinder mit im Auto waren. Es gab dann immer regelrecht Streit zwischen den Kindern, wer vorne sitzen musste. Für mich heute ein klares Indiz dafür, dass auch die anderen Kinder Angst vor Berührungen hatten. Gesprochen haben wir aber nie darüber.

Die Anzeige wurde fallengelassen, der Lehrer hat bis zu seiner Rente als Grundschullehrer gearbeitet und wurde später sogar zum Rektor befördert. Ich bereue es heute zutiefst, dass ich mich nicht meinen Eltern anvertraut oder den Lehrer und Übungsleiter angezeigt habe. Er hatte dadurch sicherlich die Möglichkeit, vielen anderen Kindern Ähnliches anzutun. Heute sind die Taten leider verjährt.