Im Herbst legte sich immer der Nebel in die Auen des Flusses, an dem ein verlassener Sportplatz war. Ich war zwölf und fuhr in den Abendstunden nach Hause. Ein Mann sprach mich an. Er sagte: „Du wolltest doch immer mal reiten. Hier kannst du. Da steht mein Pferd.“

Ich war entzückt, da ich verrückt nach Pferden war. Erst glaubte ich ihm nicht. Doch er war ein entfernter Nachbar. Er half mir auf den Rücken des Pferdes. Ich hielt mich an der Mähne fest und galoppierte unter der Eisenbahnbrücke entlang. Nach fünf Minuten rief er mich und ich kehrte zurück.


Er sagte: Du wolltest doch immer mal reiten.

Als Mädchen trug ich einen Flanellrock zu dieser Zeit. Hosen waren verpönt. Ich ließ mich vom Pferd herab und ging zu meinem Rad. Ich sagte Dankeschön. Er wollte mich noch begleiten. Nun gingen wir über den verlassenen Fußballplatz. Er führte das Pferd, ich schob mein Rad. Der Nebel war unter uns. Nur unsere Köpfe schauten sich an. Er fragte: „Hat es dir gefallen?“ „Ja“, sagte ich strahlend, „toll war es.“

„Komm setz dich hier auf die Steine. Setz dich.“ Er ließ das Pferd los, es graste. Als er neben mir saß, legte er mich zurück und schob den Rock zur Seite. Ich schrie und hatte Angst.

In dem Nebel wusste ich nicht, wie ich wegfahren sollte. In der Angst trug ich das Rad aus der Senke und sah, wo die Straße war. So schnell ich konnte, fuhr ich nach Hause. Meine Schwester empfing mich. Sie war jünger als ich. Als ich das Rad in die Garage stellen wollte, rief sie: „Deine Beine und der Flanellrock sind voller Blut.“ Ich versuchte es zu erklären und ging ins Bad. Ich wusch den Rock. Aber der Fleck war nicht zu entfernen. Mir wurde jetzt erst klar, was passiert war. Ich hatte vom Mann mit den Genitalien schon eine Vorstellung. Aber nicht, wie es passiert.

Meine Schwester petzte es, weil ich ihr abends im Bett alles erzählte. Meine Mutter verhielt sich, als sei nichts geschehen. Es wurde nicht mal eine Behörde eingeschaltet. Mit sowas wollte sie nichts zu tun haben. Später, als ich erwachsen war, fragte ich sie, warum sie nichts unternommen hätte. Meine Schwester hätte es ihr doch erzählt. Sie sagte, das hätte sie nicht gehört. Sie wisse nichts mehr.

Mit 17 wurde ich Mutter und habe geheiratet. Der Mann entpuppte sich als Trinker. Da ich die täglichen Schläge schlecht verkraftete, verabscheute ich Männer. Mein trauriges Leben versuchte ich mit Suizidversuchen zu beenden. In mehreren Therapien und mit viel Geduld begann ich an mir zu arbeiten. Jetzt geht es mir besser. Meine Mutter lebt nicht mehr. Der Täter ist längst gestorben. Gibt es eine Gerechtigkeit?