Leider mussten wir auch einen sexuellen Missbrauch an unserem Kind erleben. Wie waren sehr gut mit einer Nachbarsfamilie befreundet, unsere Töchter spielten miteinander. Eines Abends sagte unser Kind plötzlich, der A. habe sie lieber als sein eignes Kind. Als wir nachfragten, sagte sie, weil A. sie immer an der Pullerine anfasse und Fotos mache.

Natürlich waren wir als Eltern geschockt. Das kann doch nicht sein. Wir haben ihn doch als lieben Vater kennengelernt. Nun standen wir vor der Frage, glauben wir unserem Kind? Und was tun, wohin können wir gehen? Bei der Opferhilfe erklärte man uns, dass sich das ein vierjähriges Kind nicht ausdenken könne. Nach einem Gespräch mit einem befreundeten Anwalt entschieden wir uns für eine Anzeige, und ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass dieser Schritt nicht einfach war.

Der Anwalt erstattete Anzeige, dann ging es vier Wochen später zur Polizei. Mein Partner und ich mussten zur Aussage und dann natürlich unser Kind. Es wurde über eineinhalb Stunden polizeilich vernommen, mit Videoaufnahme. Die Polizistin war wirklich super, sie hat das ganz toll mit unserem Kind gemacht. Die Aussage passierte drei Monate nach dem Ereignis, und unser Kind konnte sich noch an alles erinnern. Dann hieß es wieder warten, was als Nächstes passiert, und wir durften uns immer noch nichts gegenüber der Familie anmerken lassen. Sie haben keine Ahnung, was das aus einem Menschen macht. Man hatte niemand, mit dem man reden konnte, außer zwei bis drei enge Freunde. Alles musste weitergehen, noch wussten wir nicht, ob wir die richtige Entscheidung mit der Anzeige getroffen hatten. Wir konnten nur unserem Kind vertrauen, und das taten wir auch!

Es stand in allen Zeitungen, und trotzdem steht der Ort hinter dem Täter.

Vier Monate später kam dann endlich die Hausdurchsuchung bei unseren Nachbarn. Nun ging der Stress richtig los. Es entstand Hass! Die Frau von A. konnte nicht verstehen, was gerade passiert. Da es Monate dauert, bis irgendwelche Bilder vom Handy und Laptop ausgewertet sind, mussten wir weiter warten. Dann hatten wir es endlich schwarz auf weiß: Bei dem Mann wurden hunderte Kinderpornobilder und 30 Videos mit Kindern gefunden.

Ja, nun hatten wir die Beweise, aber gebracht hat es uns nichts. Die Frau von A. hat im Ort überall erzählt, dass wir nur Lügen verbreiten, dass das alles nicht stimme, die Fotos wären spontane Aufnahmen beim Baden. Diese Geschichte glaubten erstaunlich viele Leute, und somit haben wir viele gemeinsame Freunde verloren und uns auch Beleidigungen anhören müssen. Im Ort waren wir die Bösen. Sie hatten ihre Freunde, die auch mal unsere waren. Wir wurden nicht mehr gegrüßt.

Als die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hatte, waren wir froh und dachten, jetzt geht’s vorwärts. Der erste Termin für die Verhandlung im Herbst wurde drei Tage vorher abgesagt. Warum? Wir wussten es nicht. Wir warteten weitere drei Monate, bis uns ein neuer Termin mitgeteilt wurde: in sechs Monaten, das heißt zwei Jahre nach der Tat! Dann hieß es, die Aussage von unserem Kind bei der Polizei reiche nicht aus. Wir versuchen alles, damit unser Kind darüber hinwegkommt und nun soll es nach zwei Jahren nochmal zum Psychologen?

Auch das haben wir getan. Die Verhandlung fand dann tatsächlich statt. Es war eine öffentliche Verhandlung. Der Angeklagte hatte seinen Fanclub von zwanzig Mann dabei. Wir waren allein. Selbst dort haben uns die Leute noch beschimpft. Der Richter hat ihnen schon die Meinung gesagt, aber sie scheinen bis heute nichts kapiert zu haben. Wir hatten einen guten Richter, darüber sind wir sehr dankbar. Leider ist an diesem Tag das Urteil nicht gefallen.

Wie es uns als Eltern in der Verhandlung ging, muss ich ihnen nicht sagen. Es war einer unser schlimmsten, aber auch wichtigsten Tage. Zwei Wochen später fiel das Urteil: schuldig, zwei Jahre auf Bewährung. Natürlich ist er in Berufung gegangen. Es stand in allen Zeitungen, und trotzdem steht der Ort hinter dem Täter.

Zweieinhalb Jahre nach dem Ereignis: Was bleibt? Mein Partner und ich sind getrennt, ich habe den Ort mit den Kindern verlassen, bin in psychologischer Betreuung. Bis heute haben wir keinen neuen Gerichtstermin für die Berufung. Aber es wurde schon gesagt, dass seine Strafe bestimmt milder ausfällt. Was ist da noch fair? Da fragt man sich wirklich, warum man das alles macht.

Das ist unsere Geschichte, es tat gut, sie mal niederzuschreiben.