Ich bin mit neun Jahren von einem Reitlehrer in einem gewaltsamen, in meiner Erinnerung unvorbereiteten Überfall ausgezogen worden. Er hat sich an mir befriedigt. Ich hatte den Überfall aus meinem Bewusstsein gelöscht und bin weiter in den Ponystall gegangen. Zwei Jahre später hat er sich mir wieder angenähert, mit als Freundlichkeiten getarnten Grenzverletzungen, Umarmungen, „wir zwei haben jetzt ein kleines Geheimnis“, und brutalen Küssen auf dem Heuboden. In dem Stall gab es Gerede über den Mann, manche Mädchen durften nicht mit auf Übernachtungsfreizeiten fahren, weil er „einen Ruf“ hatte.

Ich habe meinen Eltern erzählt, dass er mich geküsst habe. Meine Eltern haben es als Liebesgeschichte eingeordnet. Meine Mutter ist zu ihm gefahren und hat ihm gesagt, das ginge so nicht. Mein Vater ist nicht mitgegangen, sondern im Auto sitzen geblieben. Der Mann tat ihm leid. Das haben sie mir erzählt, als ich erwachsen war.

Ich bin dann nicht mehr dort hingefahren, und wir haben nicht mehr darüber gesprochen. Ich hatte überhaupt nicht gewusst, was vor sich ging. Ich hatte noch nie von so etwas gehört. Meine Welt bekam einen unüberbrückbaren Sprung.

Ponys sind Magnete für kleine Mädchen.

Ponys sind Magnete für kleine Mädchen, und es gibt weder Einstellungskriterien für Mitarbeiter noch Strukturen. Ponyhöfe werden von den bringenden Eltern als fremde, ungewohnte Welt akzeptiert, in der alles ein wenig anders läuft, und darum setzt die gesunde Intuition aus. Für Mädchen mit großer Ponyliebe und wenig Geld gibt es häufig die Möglichkeit, durch Mithilfe Reitstunden zu bekommen, und es gibt Pferdebesitzer, die Mädchen ohne finanzielle Mittel ihre Pferde reiten lassen, denn die Pferde müssen bewegt werden. Hier lauern Abhängigkeiten und Tauschgeschäfte, häufig existieren bei Ponyhöfen noch nicht mal Vereinsstrukturen.

Der Reitlehrer ist dann mit seinem Pferdehof umgezogen. Dort hat er außer den günstigen Reitstunden auch ein kleines Holzhaus betrieben, in dem Kinder Reiterferien machen konnten. Vor einigen Jahren wurde der Betrieb geschlossen.

Ich habe damals nicht ausgesprochen, was passiert war, aber ich habe Zeichen gegeben, dass mich etwas überfordert hat. Mein Vater empfand in dem Stall ein Gewaltklima und meine Eltern waren aus einem pädagogischen Milieu, in dem solche Vorgänge durchaus schon bekannt waren. Trotzdem wurden die Anzeichen im Nahbereich weggedrückt. Das Schweigen und Wegschauen und das Heile-Bild-Schützen bis heute ist das Schlimmste.