Als ich Leichtathletin war, gab es Ende der 1970er-Jahre ein spezielles Training am Wochenende. Ich erinnere mich, dass wir anfangs privat übernachtet haben, später in einem abseits gelegenen Haus. Dort hat auch Alkoholmissbrauch stattgefunden. Damals war ich minderjährig. Die Trainer waren alle erwachsen und männlich. Ein Trainer hat mich sexuell missbraucht. Mit den Fingern. Ich war so jung. Ich wusste nicht, wie mir geschah.

Alle haben es mitbekommen. Es waren Gruppenschlafräume. Ich hatte mich gewundert, dass meine Freundin aus demselben Verein an diesem Training nicht mehr teilnahm. Ein Gespräch fand nicht statt. Ich halte es für ausgeschlossen, dass mein eigentlicher Trainer darüber Bescheid wusste. Der hätte bestimmt etwas gesagt.


Der Lehrer hat mir Nacktbilder gezeigt - war ja Kunstunterricht.

Weitere Übergriffe fanden von meinem Kunstlehrer in der Realschule statt. Jahre später hat mich eine ehemalige Mitschülerin auf einem Klassentreffen angesprochen und mir mitgeteilt, dass sie das damals nicht so wahrgenommen hat. Aber jetzt weiß sie, dass es Missbrauch war. Der Lehrer hat mir Nacktbilder gezeigt – war ja Kunstunterricht. Es gab einen Vertrauensraum, dort musste ich mich auf seinen Schoß setzen. Wir haben auch eng miteinander getanzt zu „Je t’aime ...“. Die ganze Klasse hat es gesehen.

Ich muss gestehen, dass ich diese Gewalt auch erst im Nachhinein bewusst als solche empfunden habe. Dazu ist aus meiner Sicht wichtig zu verstehen, dass ich sehr oft in Krankenhäusern war. So war ich es „gewohnt“, dass Menschen über meine Grenzen latschen, mich anfassen oder nackt sehen. Für mich haben die Übergriffe schon damals angefangen. Ärzte, Lehrer, Trainer – alles Personengruppen, denen „man ja gehorchen muss“ und die „es besser wissen“.

Wir sollten den Kindern beibringen authentisch zu sein. Eltern, Trainer, Lehrer und Kinder sollten ein Bewusstsein bekommen, unter welchem Deckmantel sexueller Missbrauch stattfinden kann.